Mittwoch, April 8

Kulturschock Unternehmensarbeitspraxis? Was passiert, wenn die Net Generation auf die Arbeitswelt trifft?

So lautet die Fragestellung im aktuellen Blog Carnival auf dem Wissenswert Blog. Ich fühle mich durch diese Fragen angesprochen, denn ich denke dass ich in oben skizziertes Klischee passe. Als Antwort möchte ich hier einen kleinen Erfahrungsbericht samt Selbst-Reflexion verfassen. Dazu sollte ich vorher eingestehen, dass sich die Aussagen auch nur auf meine aktuelle Arbeitssituation beziehen können. Dass die Fragen in anderen Unternehmen oder Branchen mit anderen Strukturen anders beantwortet würden ist mir auch klar:

Ich bezeichne mich ganz gerne als „digital native“ – das klingt in Selbstvorstellungen, oder bei Bewerbungen immer viel schicker als Aussagen wie „ich bin mit dem Internet vertraut“ oder „ich bin im Zeitalter des Web aufgewachsen“. Ich bin in allen populären „Vorzeige-Communities“ vertreten (z.B. Xing, Facebook, linkedIN, meinVZ, twitter, Slideshare, YouTube, flickr…), darüber hinaus auch in einigen ungewöhnlicheren (wie z.B. Trainingstagebuch), ich führe dieses Blog und ich benutze verschiedene Messenger-Programme (Skype, ICQ, ..) und das alles tue ich auch teilweise auf meinem Smartphone. Seit Herbst letzten Jahres arbeite ich nun als IT-Berater im Logistik-Bereich, ein Job, bei dem ich mindestens 50 % meines Arbeitstages vor verschiedenen Bildschirmen sitze. Zu der Ausgangsfrage entdecke ich bei mir jedoch einen Widerspruch:

  • Benutze ich bei der Arbeit ständig irgendeine dieser trendigen Web-Applikationen? -> Nein.
  • Würde es meinen derzeitigen Arbeitsalltag auf irgendeine Weise verbessern, wenn diese Applikationen häufiger verwendet würden? -> (derzeit ) Nein.

Die Frage die sich aus diesen beiden, zugegebenermassen sehr ernüchternden, Antworten ergibt ist einfach: Wo ist mein persönlich wahrgenommener Kulturshock? Warum empfinde ich Web 2.0 Tools bei meiner Arbeit als unnütz, obwohl ich doch oben deutliche Merkmale des digital natives zeige?

Diese Applikationen fallen bezüglich ihrer unterstützenden Wirkung für den Job aus Arbeitgebersicht in meiner Branche bestenfalls in die Rubrik „nette Gimmicks“. Das ist so, weil man eben seinen Foliensatz gefühlt schon seit immer auf Powerpoint an die Wand im Konferenzraum wirft, die Projektcontrolling-Sheets in Excel und den Projekt-Plan mit Project erstellt. Diese Tools haben in einem klassisch traditionellen Unternehmen, das auch klassisch traditionelle Kunden bedient, einen gewissen Status erreicht, der auf langjähriger Nutzung und vielen Rahmenverträgen und erworbenen Lizenzen zu basieren scheint. Bester Beweis ist, dass die Beherrschung derselben Tools zum Einstellungskriterium avanciert ist - „gute Kenntnisse in MS Office“ heisst es in 99% der Stellenanzeigen, selbst bei der Ausbildung zum Flugzeugtechniker.

Sollte zukünftig in diesen Stellenausschreibungen stehen „gute Kenntnisse der Plug-in Funktionalitäten in Facebook sowie Beherrschung von Skype Telefonkonferenz und Scatchpad erwünscht“ weil jetzt Web 2.0 im Unternehmen ankommen muss? Das klänge sicherlich „schicker“ als die geforderten Kenntnisse in Office, aber nutzt es bei der Ausübung der Stelle? Derzeit muss auch ich als „digital native hier ein nein eingestehen. Sogar noch mehr: Ich merke selbst, dass Skype, Facebook und Co. mir meiner Arbeitszeit stehlen und keinerlei unterstützende Wirkung für mein Projekt haben. Daran ist aber nicht Skype oder Facebook schuld, sondern ich selbst. Man muss mit der Zeit gehen, sich selbst präsentieren und Kontakte pflegen – lautet die Selbst-Legitimation. Bei genauerer Betrachtung stelle ich jedoch fest: In Facebook schaue ich mir lustige kleine YouTube Videos an, die Freunde auf meine Pinnwand gesetzt haben, in Skype werden Wochenendaktivitäten geplant oder reflektiert oder Links zu Zeitungsartikeln oder andern lustigen YouTube Videos versendet und ich kenne auch niemanden, der durch sein Xing-Profil an eine Stelle gekommen ist, obwohl dort zugegebenermassen alle meine Business Freunde sehr „schick“ ausschauen.

In der Unternehmenspraxis ist das Internet wichtig –diese Frage stellt sich für mich nicht. Hier hilft z.B. ITlern ohne Logistik-Kenntnisse oft ein kurzer Blick in Wikipedia um einen Begriff zu verstehen und so in der eigenen Arbeit den Kontext zu behalten, der Projektmanager hingegen schaut den IT-Begriff nach und hebt seine Kommunikation mit dem ITler auf ein besseres Niveau. Für die Mehrheit der oben angeführten Tools trifft eine solche Mehrwert-Erzeugung aber meiner Meinung derzeit noch nicht zu. Für den natürlichen Informationsgehalt einer Kommunikation gilt weiterhin: persönliches Gespräch > Telefonat (von mir aus mit Video und gleichzeitig auf dem Smartphone) > E-Mail > Short Message. Natürlich könnte man versuchen den gleichen Informationsgehalt auch durch Anwendung von Web 2.0 Applikationen generieren, aber selbst ich frage mich dann: Möchte ich z.B. alle 3 Minuten in twitter meinen Status updaten müssen, wenn ich in Alternative B einfach weiter meinen Outlook Kalender pflegen muss? (Traditionelle) Unternehmen in traditionellen Branchen zahlen, solange die Standards für Kommunikation oder Präsentation anderweitig gesetzt sind, meiner Meinung nach durch Web 2.0 Phänomene nur drauf. Der erzielbare Informationsvorsprung geht, da er mit einer zu grossen Ablenkungsgefahr einhergeht, noch stark zu Lasten der Effizienz. Daher erlebe ich auch als „digital native“ aus der „Net Generation“ derzeit keinen Kulturschock durch meinen Berufseinstieg.

Trotzdem werde ich weiter alle Web 2.0 Applikationen benutzen, bzw. gebe allen eine Chance, denn die Standards der Zukunft könnten und werden hoffentlich darunter sein. Bevor man daher als „digital native“ einen Kulturschock empfindet und seinen Arbeitgeber als rückständig oder nicht auf der Höhe der Zeit bezeichnet sollte man sich einfach fragen, wer durch die Verwendung bestimmter Tools welchen Mehrwert hat? Ich musste mir als Antwort auf diese Frage auf jeden Fall eingestehen, dass Facebook Account, Skype Messenger oder Twitter Meldungen zurzeit nur den Informationsgehalt im Privatleben verbessern, aber nicht den Deckungsbeitrag meines derzeitigen Projektes heben können. Ich nehme an, manche Jobs müssen einfach auch zukünftig ganz „unschick“ ohne Web 2.0 Support gemacht werden.

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